Wegzugsteuer auf Privatvermögen (ETFs usw.): So funktioniert sie

Dr. Oliver Eidel Grundlagen Aktualisiert am 11. Dezember 2025

In Kürze

  • Wenn du in 7 von den letzten 12 Jahren in Deutschland steuerpflichtig warst und nun Deutschland verlassen möchtest, musst du die sog. Wegzugsteuer zahlen.
  • Die Wegzugsteuer erfasst u.a. deine Anteile an Unternehmen, wo du jeweils mehr als 1% hältst.
  • Zusätzlich gibt es eine Wegzugsteuer auf dein Privatvermögen. Hierunter fallen Fonds, bei denen du pro Fonds mehr als 500k€ Einstandswert hältst.
  • Während Lösungen für die Optimierung der Wegzugsteuer bei Unternehmensbeteiligungen (z.B. GmbHs) oftmals kompliziert sind, ist die Lösung hier relativ simpel: Du kannst deine Fondsanteile einfach so weit verkaufen, bis du wieder unter 500k€ Einstandswert pro Fonds hältst.

Im Detail: Wegzugsteuer auf Privatvermögen

Während früher die deutsche Wegzugsteuer "nur" Unternehmensbeteiligungen erfasste, wurde sie seit dem 01.01.2025 auch auf das Privatvermögen von Leuten, die Deutschland verlassen, ausgeweitet.

Zur Wiederholung: Bei Unternehmensbeteiligungen war es so, dass man, sofern man zu mehr als 1% an einem Unternehmen beteiligt ist, diese Beteiligung virtuall quasi "verkauft" und die Steuer dafür beim Wegzug aus Deutschland zahlt. Stark vereinfacht berechnete sich dieser Betrag so, dass der Jahresgewinn des Unternehmens mit 13.75 (!) multipliziert wird und der Betrag dann zu knapp 30% besteuert wird. Das ergibt bei einem Unternehmen mit "nur" 100k€ Jahresgewinn eine Wegzugsteuer von ca. 360k€ (!). Hier der Link zum Artikel mit den Grundlagen und der Berechnung.

Bislang war es also so, dass "nur" Unternehmensbeteiligungen von der deutschen Wegzugsteuer erfasst wurden. Man konnte sich also denken, dass die Wegzugsteuer "nur" auf deutsche Unternehmer ausgerichtet war, die ggf. planten, ins Ausland zu ziehen, um von dort ihr Unternehmen zu verkaufen und keine deutschen Steuern mehr zu zahlen. "Normale" Angestellte waren von der Wegzugsteuer bislang also nicht betroffen.

Zum 01.01.2025 hat sich das geändert. Nun wurde die Wegzugsteuer auch auf das Privatvermögen ausgeweitet. Genauer genommen sind nun Fonds im Privatvermögen erfasst, bei denen der Einstandswert mehr als 500.000€ beträgt. Diese Fallen nun also auch unter die Wegzugsteuer.

Berechnung

Wie immer der Disclaimer, dass ich kein Steuerberater bin und hier nur meine Notizen mit (teils bezahlten) Gesprächen mit Steuerberatern zusammengeschreibe.

Generell würde ich vermuten, dass die Berechnung analog zur Berechnung bei Unternehmensbeteiligungen vonstatten geht, d.h. es wird nur der Gewinn besteuert und dieser wird mit dem Teileinkünfteverfahren dann versteuert.

Konkretes Beispiel:
  • Du hast einen ETF in deinem Depot mit 600k€ Einstandswert und jetzt steht er bei 800k€. Du hast also 200k€ unrealisierten Gewinn.
  • Du ziehst aus Deutschland weg.
  • Der ETF is von der Wegzugsteuer erfasst, da du mehr als 500k€ Einstandswert hast. Dein Gewinn beträgt 200k€ (800k-600k€). Diesen musst du mit dem Teileinkünfteverfahren versteuern, also zu ca. 30%.
    Grob überschlagen zahlst du eine Steuer von 200k€ * 30% = 60k€.

So weit, so "gut". Hier ein anderes Beispiel von einem Szenario, bei dem du vermutlich nicht unter die Wegzugsteuer auf Fonds fallen würdest:
  • Du hast einen ETF in deinem Depot mit 400k€ Einstandswert, jetzt steht er bei 800k€. Du hast also 400k€ unrealisierten Gewinn.
  • Du ziehst aus Deutschland weg.
  • Der ETF ist nicht von der deutschen Wegzugsteuer erfasst, da dein Einstandswert weniger als 500k€ beträgt. Wenn du in Zukunft, also nach deinem Wegzug, deinen Gewinn von 400k€ realisierst, zahlst du keine (!) deutsche Kapitalertragssteuer oder sonstige deutsche Steuer hierauf.

Aus letzterem Beispiel wird also auch deutlich, warum man hier durchaus einen Steuervorteil hat, wenn man eben nicht unter die Wegzugsteuer fällt: Man kann bislang unrealisierte Gewinne nach seinem Wegzug aus Deutschland realisieren und zahlt keine Kapitalertragssteuer auf die Gewinne.

Ob das prinzipiell so im Interesse des deutschen Staates ist, sei mal dahingestellt - fair wäre es vermutlich, wenn man all seine unrealisierten Gewinne vor dem Wegzug realisieren und Kapitalertragssteuer zahlen müsste. Gleichzeitig würde das dann eine Menge Leute treffen, da viele "mobile" Arbeitnehmer, die mal ins Ausland ziehen, bereits eine private Altersvorsorge mit ETFs getroffen haben.

Warum also nur ab 500k€? Einer der Steuerberater, mit dem ich gesprochen hatte, meinte, dass es vermutlich so war, dass ein wohlhabender deutscher Familienunternehmer aus Deutschland wegziehen wollte. Da er zu mehr als 1% an seinem Unternehmen beteiligt gewesen war, wäre er unter die "normale" deutsche Wegzugsteuer auf Unternehmen gefallen. Mithilfe eine Investmentbank hat er aber eine Art "Deal" gemacht, dass die Bank sein Unternehmen kauft, ihm dann einen Fonds auflegt (!), also so richtig mit WKN usw., den er dann im Austausch kriegt und in sein Depot bucht. Er besitzt sein Unternehmen also nicht mehr direkt, sondern besitzt nun einen Fonds auf sein eigenes Unternehmen. Und den wiederum könnte er dann nach seinem Wegzug steuerfrei verkaufen, zumindest dann, wenn er in ein Land zieht, das keine Kapitalertragssteuer hat.

Dem Steuerberater nach wurde dieses Schlupfloch dann kurze Zeit später durch die 500k€-Regelung geschlossen.

Spannende Geschichte - ich kann nicht verifizieren, ob sie stimmt, aber es ist ja eine durchaus gängige Beobachtung, dass Steuerschlupflöcher kurz nach ihrer ersten "Nutzung" durch solche Zusatzregeln geschlossen werden. Klingt also zumindest plausibel.

Wie sieht nun also eine Lösung für die "Wegzugsteuer auf ETFs" aus?

Gestaltung zur Optimierung der "Wegzugsteuer auf ETFs"

Die Lösung ist im Grunde genommen ganz einfach: Strukturiere dein Depot so, dass du jeweils weniger als 500k€ Einstandswert pro ETF hältst. Folgendes Depot wäre also problematisch:
  • 600k€ iShares MSCI World (Einstandswert)

Folgendes Depot wäre unproblematisch:
  • 499k€ iShares MSCI World (Einstandswert)
  • 201k€ db xtrackers MSCI World (Einstandswert)

Ja, es ist genauso absurd, wie es aussieht - du kannst ETFs auf denselben Index halten, aber sofern sie eben "andere" ETFs im Sinne von anderen WKNs / ISINs sind und du weniger als 500k€ Einstandswert pro ETF hältst, sollte das unproblematisch sein.

Gleichzeitig solltest du also eben nicht alle deine Beteiligungen komplett verkaufen, da du ja nicht auf 0€ kommen musst, sondern nur auf weniger als 500k€ pro ETF. Falls du also weniger als 500k€ pro ETF hältst und dann noch unrealisierte Gewinne hast und in ein Land ziehst, dass eine geringere Kapitalertragssteuer als Deutschland hat, dann könntest du die Gewinne erst später in dem steuer-günstigeren Land realisieren. Das solltest du dann aber wahrscheinlich mit einem Steuerberater nochmal besprechen.

Zusammenfassung: Wegzugsteuer auf ETFs

Ich persönlich finde es beunruhigend, dass die Wegzugsteuer im historischen Kontext immer wieder ausgeweitet wurde. Jetzt betrifft sie erstmal auch das Privarvermögen. Weiterhin ist es so, dass die Schwelle von 500k€ nicht an die Inflation angepasst wirst, d.h. die reale, inflationsbereinigte Schwelle wird jedes Jahr sinken.

Außerdem ist es denkbar, dass die Schwelle politisch irgendwann nochmal bewusst abgesenkt wird, falls zunehmend mehr wohlhabende Leute Deutschland verlassen.

Gleichzeitig kann ich nachvollziehen, dass die Wegzugsteuer hier eingeführt wurde - denn der Fakt, dass man ansonsten unrealisierte Kapitalerträge einfach ins Ausland "mitnehmen" und dort die Gewinne dann ggf. ohne Kapitalertragssteuer realisieren kann, ist ein reales Schlupfloch, das prinzipiell Leute benachteiligt, die in Deutschland bleiben.

Ob man nun deswegen aber alle Leute zwingen sollte, ihre unrealisierten Erträge vor dem Wegzug zu realisieren.. das sei mal dahingestellt.
Übrigens: Komm in unsere Telegram-Community, um dich mit anderen Leuten auszutauschen, die die deutsche Wegzugsteuer für sich gelöst haben!
Dr. Oliver Eidel avatar

Dr. Oliver Eidel

Ich bin Oliver und bin Unternehmer aus Deutschland - mein bekanntestes Unternehmen ist OpenRegulatory, welches eine Compliance-Software für Medizinprodukte-Hersteller anbietet.

Seit 2025 musste ich mich mit der deutschen Wegzugsteuer auseinandersetzen, da ich nach Thailand auswandern möchte. Auf dieser Webseite teile ich meine Erkenntnisse, die ich mir relativ mühsam durch (teure) Gespräche mit Steuerberatern erarbeiten musste. Hoffentlich spare ich dir dadurch Zeit und Steuerberatergebühren! :)